„Jedes Zuhause ist ein zufälliges: Dort wirst du geboren, hierhin vertrieben, (…) Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann. Wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will.“
Der Ich-Erzähler in „Herkunft“ beschreibt in immer neuen Facetten, was Herkunft für ihn bedeutet, schlaglichtartig und hellsichtig. Was macht die eigenen Wurzeln aus? Was ist Heimat? Kann man mehr als eine Heimat haben?
Das Buch beleuchtet dabei Ereignisse aus der Vergangenheit und der Gegenwart des Ich-Erzählers. Zudem veranschaulicht es, was Erinnerung mit dem Erlebten macht und was mit ihm geschieht, wenn die Erinnerung verblasst, denn Kristina, die Großmutter des Erzählers, leidet an Demenz.
Für den Protagonisten beginnt im Alter von 14 Jahren eine neue Zeitrechnung in einem fremden Land. Dabei weist die Handlung viele autobiographische Bezüge zum Leben von Stanišić auf: Er wurde 1978 in Višegrad im damaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien geboren, seine Heimatstadt gehört mittlerweile zu Bosnien und Herzegowina. 1992 floh er mit seinen Eltern nach Deutschland. Er verbrachte seine Jugend in Heidelberg und besuchte dort die Schule.
In dem Roman erfahren die Lesenden von den sprachlichen Problemen des Erzählers und davon, wie er sich als Migrant fühlt. Er trifft sich mit anderen Migranten im Stadtteil Emmertsgrund im Süden Heidelbergs auf dem Gelände einer Aral-Tankstelle. Er erzählt von seiner ersten Liebe, von seinen neuen deutschen Freunden, welche sich stark von denen aus der Tankstellen-Clique unterscheiden, und von seinem Deutschlehrer, der ihm rät, Gedichte auf Deutsch zu schreiben und nicht in seiner Muttersprache.
Ein poetischer, brillant beobachteter, virtuos geschriebener Roman über das Weggehen und Ankommen, anrührend und umwerfend humorvoll.
Das Buch wurde mit dem Deutschen Buchpreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels als bester deutschsprachiger Roman des Jahres 2019 ausgezeichnet. Aus der Begründung: „Mit viel Witz setzt er den Narrativen der Geschichtsklitterer seine eigenen Geschichten entgegen. ,Herkunftʻ zeichnet das Bild einer Gegenwart, die sich immer wieder neu erzählt. Ein ,Selbstporträt mit Ahnenʻ wird so zum Roman eines Europas der Lebenswege.“
Verlag: Luchterhand, 2019
Roman, 368 Seiten