Die Jury der 1991 gegründeten sprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Nina Janich, Professorin für germanistische Linguistik an der TU Darmstadt, hat am 17.01.2012 aus den 2.420 Einsendungen mit 923 verschiedenen Vorschlägen von Bürgern das Wort „Döner-Morde“ zum Unwort des Jahres 2011 gewählt.
„Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechtsterroristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden“, so die Begründung der unabhängigen Jury für das Unwort „Döner-Morde“.
Auch unsere Lektoren, Übersetzer und Texter sowie die anderen Teamkollegen waren entsetzt, als das Wort „Döner-Morde“ zum ersten Mal in den Medien auftauchte, und hoffen, dass mit der Wahl einer weiteren sprachlichen Missentwicklung dieser nicht hinzunehmenden diskriminierenden Art Einhalt geboten wird.
Auf Platz zwei und drei der Wahl zum Unwort des Jahres 2011 folgten „Gutmensch“ und „marktkonforme Demokratie“
Die Begründung der Jury für die Wahl von „Gutmensch“ lautet wie folgt: „Mit dem Ausdruck ‚Gutmensch‘ wird insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des ‚guten Menschen‘ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren. Ähnlich wie der meist ebenfalls in diffamierender Absicht gebrauchte Ausdruck Wutbürger widerspricht der abwertend verwendete Ausdruck Gutmensch Grundprinzipien der Demokratie, zu denen die notwendige Orientierung politischen Handelns an ethischen Prinzipien und das Ideal der Aushandlung gemeinsamer gesellschaftlicher Wertorientierungen in rationaler Diskussion gehören.“
Die Wortverbindung „marktkonforme Demokratie“, die auf ein Statement von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgeht, steht – so die Begründung der Jury – „für eine höchst unzulässige Relativierung des Prinzips, demzufolge Demokratie eine absolute Norm ist, die mit dem Anspruch von Konformität mit welcher Instanz auch immer unvereinbar ist.“
Es ist doch erstaunlich, zu welchen kreativen Wortneuschöpfungen unsere Politiker und Wirtschaftsvertreter immer wieder fähig sind, um unangenehme Dinge „weichzuspülen“ oder positiv darzustellen. Man erinnere sich nur an negatives Wachstum und Nullwachstum …
In diesem Zusammenhang noch ein Buchtipp zum Thema „Politikersprache“
Titel: Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht.
Autoren: George Lakoff, Elisabeth Wehling
Verlag: Carl-Auer (2009, 2., aktualisierte Auflage)
Genre: Sachbuch (186 Seiten)
Wie jonglieren Politiker mit Sprache, um uns unterbewusst zu beeinflussen? Eine Leseprobe finden Sie hier.
Wenn Sie Ihr persönliches „Unwort des Jahres“ für 2012 vorschlagen möchten, können Sie dieses jederzeit bis zum 31.12.2012 per E-Mail an die Jury der Aktion senden. E-Mail: vorschlaege(at)unwortdesjahres.net
Als kleinen Rückblick hier die Unworte der Jahre 2000 bis 2010:
Unworte des Jahres 2010
• Alternativlos
• Integrationsverweigerer
• Geschwätz des Augenblicks
Unworte des Jahres 2009
• Betriebsratsverseucht
• Flüchtlingsbekämpfung
• Intelligente Wirksysteme
Unworte des Jahres 2008
• Notleidende Banken
• Rentnerdemokratie
• Karlsruhe-Touristen
Unworte des Jahres 2007
• Herdprämie
• Klimaneutral
• Entartet
Unworte des Jahres 2006
• Freiwillige Ausreise
• Konsumopfer
• Neiddebatte
Unworte des Jahres 2005
• Entlassungsproduktivität
• Ehrenmord
• Bombenholocaust
• Langlebigkeitsrisiko
Unworte des Jahres 2004
• Humankapital
• Begrüßungszentrum
• Luftverschmutzungsrechte
Unworte des Jahres 2003
• Tätervolk
• Angebotsoptimierung
• Abweichler
Unworte des Jahres 2002
• Ich-AG
• Ausreisezentrum
• Zellhaufen
Unworte des Jahres 2001
• Gotteskrieger
• Kreuzzug
• Topterrorist
• Therapeutisches Klonen
• Gewinnwarnung
Unworte des Jahres 2000
• National befreite Zone
• Überkapazitäre Mitarbeiter
• Separatorenfleisch
• „Dreck weg!“
• (Deutsche) Leitkultur