Ist die Rechtschreibreform in Absicht und Wirkung gescheitert?
Vor 20 Jahren endete der jahrelange verbissene Zank um die Reform der deutschen Rechtschreibung. Am 1. August1998 trat die Reform verbindlich für Schulen und Behörden in Kraft – obwohl die Bevölkerung diese administrative Attacke auf Sprachgefühl und Schreibgewohnheiten mehrheitlich ablehnte.
Der Erfolg von Reformen, so lehrt uns die Soziologie, hängt entscheidend vom Tempo ihrer Umsetzung ab; gut durchgeplante Angriffe quasi im Handstreichverfahren versprechen die beste Akzeptanz. Bei der Rechtschreibreform aber lief alles im Bürokratenmodus. Die langen Intervalle zwischen Reformabsicht, Vorschlag, Verpflichtung sowie die Übergangsfrist zehrten an der Wahrhaftigkeit: Im Grunde hatte lange keiner so recht daran glauben können, dass daraus mal Ernst werden würde. Protestiert wurde deshalb erst mit Verspätung, nämlich als die Verpflichtung zur Durchführung der Rechtschreibreform schon auf dem Tisch lag; das war 1996 – 16 Jahre (!) nach den ersten Gesprächen über eine Modernisierung des Schriftdeutschen mit dem Ziel, es simpler und logischer zu machen.
Ein wildes Kräftemessen mit den Reformern folgte, mal sachverständig, mal emotional, am Ende war die Thematik auch vor empörten oder profilsuchenden Prominenten und Politikern nicht mehr sicher. Aber da konnte den Zug schon nichts mehr stoppen, auch nicht so kluge Statements wie das von Jutta Limbach, damalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und später des Goethe-Instituts, die anmerkte, dass gerade die Streithistorie der Rechtschreibreform lehre, Sprache solle halt nicht administriert werden. Als Bestandteil der Kultur eines Volkes entwickle sie sich organisch und ständig, und zwar im Gebrauch. Wohl wahr: Die Sprache gehört den Menschen, nicht den Kommissionen.
Dennoch wurde die ungeliebte Rechtschreibreform Realität, in einigen Bundesländern eher, in anderen etwas später. Viele Zeitungen machten da nicht mit, allen voran die FAZ, die vorerst rasch zur alten Rechtschreibung zurückkehrte. Die Nachrichtenagenturen verzögerten klug, sie legten zwar 1998 einvernehmlich fest, der Rechtschreibreform zu folgen, aber, und das erwies sich als erfolgreiche Strategie: dabei nach den Wünschen ihrer Kunden zu verfahren – der Medien. Die wollen ein einheitliches Schriftbild und brauchen für ihre elektronischen Systeme klare Vorgaben, keine Varianten.
Die Arbeitsgemeinschaft der Nachrichtenagenturen verdichtete quasi das Spektrum der neuen Regeln auf 1.500 Beispielwörter, entwickelte ihre eigenen Empfehlungen in Zusammenarbeit mit Duden und Wahrig (dem Konkurrenzwörterbuch) bzw. entschied sich aus deren Variantenangebot jeweils für einen Favoriten. Das Ende vom Lied: In 80 Prozent aller Fälle ging man auf die bewährte, klassische Schreibweise von vor der Rechtschreibreform zurück, für die Kommasetzung galt das sowieso. Das ist ein klares Votum – und ein Sinnbild für die in Absicht und Wirkung kläglich gescheiterte Rechtschreibreform.
Der Duden kann es übrigens gut verkraften, dass die allgemeine Verunsicherung der Schreiber bis heute anhält: Vom Rechtschreib-Duden wurden in den letzten 20 Jahren sechs neue Auflagen rausgehauen, weshalb die „gelbe Bibel“ eine heiße Handelsware blieb.
Wir von Wort für Wort hatten uns im Zuge der ganzen Entwicklung kurzerhand entschlossen, unseren Kunden tatkräftig mit Rechtschreib-Schulungen zur Seite zu stehen – zusätzlich zu unserer tagtäglichen Unterstützung beim Lektorat/Korrektorat von Texten aller Art.