Zum Unwort des Jahres kürt die „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ seit 1991 (damals noch unter Federführung der Gesellschaft für Deutsche Sprache) jedes Jahr einen Begriff, der gegen das „Prinzip der Menschenwürde“ oder gegen „Prinzipien der Demokratie“ verstößt. Verantwortlich für die viel beachtete Auswahl des Unworts ist eine Jury aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten, die durch einen jährlich wechselnden Gast ergänzt wird. Die Aktion selbst ist institutionell unabhängig. Die Jury wählt dabei aus Vorschlägen aus, die jeder im Internet einreichen kann.
902 Einsendungen erreichten die Jury, von denen knapp 70 die Unwort-Kriterien erfüllten. Die zehn häufigsten Einsendungen, die allerdings nicht zwingend den Merkmalen der Jury entsprachen, waren Asyltourismus (122-mal), Vogelschiss/Fliegenschiss (22-mal), DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) (22-mal), Hetzjagd (17-mal), (bedauerlicher) Einzelfall (14-mal), Ankerzentrum (13-mal), Biodeutsche (11-mal), Anti-Abschiebe-Industrie (10-mal), Deal (10-mal) und mutmaßlich (9-mal).
Das Unwort des Jahres 2018 heißt „Anti-Abschiebe-Industrie“. Das gab die Sprecherin der unabhängigen und sprachkritischen Jury, die Linguistik-Professorin Nina Janich, am 22. Januar 2019 in Darmstadt bekannt.
Diese Äußerung eines Politikers aus der Regierungspartei zeige, „wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern“, so Janich. Außerdem unterstellt der Ausdruck denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber unterstützen und geplante Abschiebungen auf dem Rechtsweg überprüfen lassen, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen. „Industrie“ suggeriert zudem, es würden dadurch überhaupt erst Asylberechtigte „produziert“. Die Jury stimmt den Einsendenden zu, dass mit diesem Begriff „das geltende Gesetz verhöhnt wird, welches Grundlage unserer Wertegemeinschaft ist“.
Außerdem kritisierte die Jury die nachfolgenden zwei Begriffe als Unwörter für das Jahr 2018. Dabei fällt auf, dass alle aus dem Themenbereich Flucht und Eingliederung kommen.
Menschenrechtsfundamentalismus
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer verwendete diesen Begriff in der Debatte um die Seenotrettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer. Er wollte damit die politische Haltung der von ihm so bezeichneten „moralisierenden Kreuzzügler“ in der Flüchtlingspolitik kritisieren.
Dieser Ausdruck zeigt drastisch, dass es in Deutschland diskutabel geworden zu sein scheint, ob ertrinkende Menschen gerettet werden sollen oder nicht.
Ankerzentrum
Der Begriff wird im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verwendet und bezeichnet besondere Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, die dort eine „Bleibeverpflichtung“ haben, bis sie auf Kommunen verteilt oder abgeschoben oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Der Koalitionsvertrag schrieb die Abkürzung ursprünglich AnKER, was für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung bzw. Rückführung stand.
Durch die inzwischen fast durchgängig gebräuchliche Gemischtschreibung wird der Ausdruck zu einem unangemessenen Euphemismus, der die komplizierten Prüfverfahren in diesen Zentren sowie die strikte Aufenthaltspflicht für Flüchtlinge verschleiert, indem die positiven Assoziationen von „Anker“ gezielt ausgenutzt werden.