Als die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) am 8. Dezember zum 41. Mal das Wort des Jahres bekanntgab, wird das Ergebnis kaum jemanden überrascht haben:
Die Beendigung der Sondierungsgespräche über eine schwarz-gelb-grüne Koalition durch die FDP am 19. November lag da gerade knapp drei Wochen zurück, und bis dahin hatte das Thema „JA-maika oder NEIN-maika?“ (Bild, 18.11.2017) die Inlandsnachrichten geraume Zeit klar dominiert.
Der Begriff „Jamaika“ wurde schon in den 1990er Jahren verwendet, als es um die Beschreibung (denkbarer) Koalitionen von „schwarzer“ CDU/CSU, „gelber“ FDP und den GRÜNEN ging, weil eben dies die Flaggenfarben des karibischen Inselstaates sind. Interessant ist, wie schon bald nach der Bundestagswahl am 24. September und der kurzfristigen Entscheidung der SPD, in die parlamentarische Opposition gehen zu wollen, die nun denkbare „Jamaika-Koalition“ in der öffentlichen Diskussion auf „Jamaika“ verkürzt wurde und wie dabei in nur wenigen Wochen die Aussprache von „Dschamäika“ über „Dschamaika“ zu „Jamaika“ (mit J wie Ja) eingedeutscht wurde.
Das Jamaika-Aus bringt das abrupte Ende multilateraler Koalitionsbemühungen, die einen wesentlichen Teil des politischen Jahres in der Bundesrepublik geprägt haben, in prägnanter Form auf den Punkt und erfüllt damit das Hauptkriterium der GfdS für ihr Wort des Jahres: Hauptvorstand und wissenschaftliche Mitarbeiter interessieren sich nicht für besonders häufig verwendete Ausdrücke, sondern wählen solche, die das zu Ende gehende Jahr treffend charakterisieren.
Das gilt natürlich auch für die neun Begriffe, die zusammen mit dem Sieger als die Top Ten eines Jahres veröffentlicht werden. Die Lektüre der gewählten Begriffe und ihrer Begründungen ist durchaus unterhaltsam und vermittelt eine Art Jahresrückblick im Schnelldurchgang.
Platz 2: Ehe für alle
Nicht tatsächlich „für alle“, aber für gleichgeschlechtliche Paare ist die Ehe seit dem 1. Oktober 2017 eine Option, nachdem der Bundestag dies am 30. Juni beschlossen hatte. Damit bezeichnet die „Ehe“ nicht länger nur den „gesetzlich anerkannten Lebensbund von Mann und Frau“.
Platz 3: me too
Unter dem Hashtag „#MeToo“ solidarisieren sich seit Oktober 2017 von sexuellen Übergriffen betroffene Frauen, um auf die weite Verbreitung des Übels hinzuweisen und z. T. auch, um Täter zu benennen.
Platz 4: covfefe
Mit diesem Buchstabengebilde hat es wohl erstmals ein Tippfehler zu einer derartigen Bedeutungsaufwertung gebracht. Twitter-Präsident Trump erntete für den nie erklärten Tweet „Despite the constant negative press covfefe“ („Trotz der konstant negativen Presse-‚covfefe‘“) weltweit Hohn und Spott, die GfdS-Juroren sahen darin eine typischerweise bei Populisten anzutreffende „neumedial gestützte Informationsverknappung“.
Platz 5: Echokammer
Die sozialen Medien versorgen ihre Nutzer vornehmlich mit solchen Inhalten, die sie für passend zu deren zuvor analysierten Interessengebieten halten. Die Folge kann eine Spirale der Bestätigung von Meinungen und Ideologien sein, wenn nur noch kommuniziert wird, was der Nutzer ohnehin befürwortet.
Platz 6: Obergrenze
Dieser zentrale Ausdruck aus der „Flüchtlingsdebatte“ steht für die gerade noch vertretbare Anzahl an Menschen, die in unsere Gesellschaft aufgenommen und integriert werden sollen. Sie variiert mit der ideologischen Ausrichtung und kann fix oder variabel sein („flexible Obergrenze“, „atmender Deckel“).
Platz 7: Diesel-Gipfel
Werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, drohen Dieselfahrzeugen infolge ihrer Schadstoffemissionen künftig zumindest lokale Fahrverbote. Um diese abzuwenden, lud die Bundesregierung Vertreter des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Industrie zu zwei Spitzentreffen ein, auf denen geeignete Schritte erörtert und die Investition von mehreren Milliarden Euro zur Lösung der Problematik beschlossen wurden.
Platz 8: Videobeweis
Wie in anderen Sportarten soll seit 2017 auch in der Fußballbundesliga die Auswertung von Videoaufzeichnungen für die Absicherung von Schiedsrichterentscheidungen und mehr Gerechtigkeit auf dem Platz sorgen. Der „Videoassistent“ verfolgt die Begegnung auf einem Bildschirm und steht über Funk mit dem Schiedsrichter in Verbindung.
Platz 9: Denkmal der Schande
Diese Bezeichnung, die der nationalistische AfD-Politiker Björn Höcke für das Berliner Holocaust-Mahnmal verwendete, nahm die GfdS-Jury als ein Beispiel für den Versuch von Rechtspopulisten, die Grenzen des Denkbaren und Sagbaren bewusst provozierend zu verschieben.
Platz 10: hyggelig
Dieses Wort, das im Dänischen gemütlich, angenehm, nett bedeutet, steht für ein entsprechendes Lebensgefühl und ist ein Beleg für das Eindeutschen von Wörtern auch aus anderen als der englischen Sprache.
Wenn Sie tiefer in das Thema Wort des Jahres einsteigen möchten: https://gfds.de/aktionen/wort-des-jahres/
Gern reicht das Team von Wort für Wort auch Ihre Vorschläge für das Wort des Jahres 2018 ein.
Mailen Sie Ihr Wort des Jahres einfach an:
kontakt@wortfuerwort.de